Wasserfarben Welle
Carla Muche
Communication Managerin
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5 min
Lesezeit

Buchempfehlung „Gathering Moss“

Gathering Moss“ ist eine berührende und sehnsüchtige Erzählung, die uns in die mikroskopisch kleine Welt der Moose eintauchen lässt. Robin Wall Kimmerer enthüllt faszinierendes biologisches Wissen, erzählt von der tiefen Verbindung indigener Gemeinschaften zur Natur und teilt persönliche Anekdoten, die einem Gänsehaut beim Lesen bereiten. Ihr Buch ist 2003 im University of Washington Press veröffentlicht worden. Die deutsche Version „Das Sammeln von Moos“ erschien 2023 im Matthes & Seitz Berlin Verlag.

Robin Wall Kimmerer ist 1953 in New York geboren. Sie ist Bestseller-Autorin und Bryologin – der wissenschaftliche Ausdruck für eine Wissenschaftlerin, die sich mit der Erforschung von Moosen beschäftigt. Sie ist außerdem Mitglied der Citizen Potawatomi Nation. Die indigene Nation mit Wurzeln in der Region der Großen Seen wurde im 19. Jahrhundert nach Oklahoma umgesiedelt. „Gathering Moss“ erzählt ihre persönliche Geschichte über die Verbindung zu Moosen, traditionellem Wissen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die den Leser in ihren Bann zieht.

Jedes Kapitel befasst sich mit einer oder mehreren Moosspezies und ihren spezifischen Eigenschaften und Besonderheiten. Es ist verblüffend, welch große Vielfalt an Moosen im tiefen Wald verborgen liegt, die doch erst bei näherer Betrachtung richtig zum Vorschein kommt. Genauer gesagt gibt es rund 22.000 verschiedene Moosarten weltweit.

Wie Moose uns Sehen lernen

Die Aufmerksamkeit, die die Autorin jeder einzelnen Spezies schenkt, enthüllt versteckte Wunder der Natur, die selbst unter dem Mikroskop so nicht zu entdecken wären. Es ist Balsam für die Seele. In dem Kapitel „Sehen lernen“ erzählt sie von einem Gespräch mit einem indigenen Stammes-Ältesten, der ihr erklärte, dass der Erfolg nicht davon geprägt sei, wie stark man nach etwas suche, sondern dass manche Dinge erst dann richtig sichtbar würden, wenn man der Welt um sich herum Aufmerksamkeit schenkt und präsent ist für das, was passiert, anstatt sich zu stark auf eine Sache zu fokussieren. Das gilt vermutlich nicht nur für Moose, sondern für alle kleinen Wunder im Alltag, aber „Gathering Moss“ ist eine Erinnerung daran, sich häufiger den kleinen Wundern zu widmen.

Moose und andere Kleinstlebewesen laden uns ein, für eine gewisse Zeit an den Rändern der gewöhnlichen Wahrnehmung zu verweilen. Dafür ist nichts als Aufmerksamkeit nötig. Schau auf spezielle Weise hin und entdecke eine komplett neue Welt.

In der wissenschaftlichen Sprache klingen die Namen von Pflanzen wie eine Melodie: Herzogiella striatella, Tetraphis pellucida, Schistostega pennata… Nach indigenem Verständnis sind es die Namen, die sie Pflanzen geben, um eine Intimität aufzubauen, die ebenso wie die Verbindungen zwischen Menschen auf Respekt beruht.

Die Betrachtung von Moosen gibt der Vertrautheit mit dem Wald Tiefe und Intimität.

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Nahaufnahme vom Sphagnum Moos

Moose und ihre Affinität zum Wasser

Moose sind ein Mittelding zwischen Algen und Landpflanzen und sie haben eine besondere Affinität zu Wasser. Sie können nicht nur das 20-fache ihres Eigengewichts an Wasser speichern, wie ein Schwamm, sondern können auch bis zu 98% ihrer Feuchtigkeit verlieren und dennoch weiterleben. Sie können somit so etwas wie einen Zwischenzustand zwischen Leben und Tod erreichen. Für Robin Wall Kimmerer ist es eine „Hommage“, wenn sie das Erwachen eines Moostriebs unter dem Vergrößerungsglas beobachtet. Anstatt stärkere Naturkräfte überwinden zu wollen, vertrauen Moose der bloßen Anziehung in Form von Adhäsions- und Kohäsionskräften. Es ist eine Form der Liebe, die durch die Anziehung geformt, durch die Anwesenheit verstärkt und durch den Verlust vermindert wird.

In der Fortpflanzung stellt Wasser jedoch eine große Herausforderung für die Moose dar. Aus der Perspektive von winzig kleinen Moosspermien ist das Überwinden von Wasser, als würde man „ein Becken voller Götterspeise“ durchqueren.

Aber wo Wasser ist, da kann Leben entstehen und das gilt auch für die Moose. Sie sind Pioniere, die das Leben an Land vor Millionen von Jahren erst möglich gemacht haben. Ähnlich wie unseren Füßen, die uns das Laufen überhaupt erst ermöglichen, schenken wir den Moosen doch zu wenig Aufmerksamkeit. Moose können Luft reinigen, sie wurden früher als Wundheilungsmittel verwendet und sie können Orte besiedeln, die für die meisten anderen Pflanzen undenkbar wären.

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Grüner leuchtender Moosteppich in einer Moorlandschaft

Moose sind der Inbegriff von Minimalismus

Die Art und Weise, wie Schistostega pennata in einer feuchten, dunklen höhlenartigen Umgebung von so wenig Sonnenlicht überleben kann, ist ein wahres Wunder der Natur! Als Robin auf einem ihrer abendlichen Spaziergänge das zarte Moos in der Erdspalte beobachtet, wie es nur zu einer bestimmten Stunde aufgrund zufälliger Reflektionen Sonnenlicht küsst. Obwohl es mit so geringen vorhandenen Ressourcen überleben kann, antwortet es dem wenigen Sonnenlicht mit „Geglitzer“.

Die Unscheinbarkeit des Schistostega explodiert in einen Funkenregen, der an weihnachtlichen Glitzerstaub erinnert.

Die Art und Weise, wie sie die intime Verbindung zwischen Natur und Kultur, zwischen Umwelt und Menschen beschreibt, so sensibel und dennoch eindrücklich, regt die Lesenden zum Nachdenken an. Häufig wird traditionelles und indigenes Wissen unter dem Begriff „Kultur“ verstanden und wird somit von dem westlichen naturwissenschaftlichen Verständnis abgegrenzt. „Gathering Moss“ unterstreicht in meinen Augen dennoch, wie wichtig die Betrachtung von traditionellem Wissen ist, damit wir Menschen lernen, im Kleinen und Großen im Einklang mit der Natur zu leben. Die Reise durch die sanften, grünen Mooslandschaften öffnet das Herz und lässt uns die verborgene Schönheit der Natur neu entdecken.

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